„Erinnerungen an mein Jugendkino“


von Frank Hoyer

In den späten 1970er Jahren bin ich ab der 5. Klasse in der nächsten Kleinstadt, dem ca. 40 Kilometer südlich von Stuttgart gelegenen Herrenberg, auf das Gymnasium gegangen. Ich fuhr mit dem Bus ca. 10 Kilometer von meinem Heimatdorf zur Schule. So wurde auch der Besuch im Herrenberger Kino „Central-Theater“ ein mehr oder weniger regelmäßiges Vergnügen. Schon die bunten Aushangfotos und Filmplakate versprachen unterhaltsame Stunden, prima waren auch die kleinen Schildchen „nächste Woche“, „Ab 12 Jahre“ etc. Und die Süßigkeiten – wie das legendäre „Rolo“ – schmeckten im Kinosaal auch irgendwie besser 🙂

Mit dem Herrenberger Kino verbinde ich vor allem so eine jugendlich-naive (Vor-)Freude an bunten bewegten Bildern, spannenden Geschichten und erstaunlichen Filmeffekten, aber auch konkrete Filmerlebnisse, von denen mir einige in Erinnerung geblieben sind:

„2001“: In den 70ern, ohne Internet und ohne ein umfassendes bzw. günstiges Angebot an Videokassetten, Super-8-Filmen u.ä., kannte ich viele Filme meist nur vom Hörensagen, aus dem Fernsehen und aus Filmbüchern, die ich zu dieser Zeit mit einiger Leidenschaft zu sammeln anfing. Zum Glück wurde manch „alter Schinken“ – in leider oftmals recht abgenudelten Kopien – immer mal wieder ins aktuelle Kinoprogramm eingestreut. So auch Kubricks „2001“. Voller Spannung saß ich im Kino und war erstaunt, dass am Anfang des Films kein Bild, sondern nur Ton zu hören war. Die ersten Minuten ging ich recht irritiert von einem Fehler des Filmvorführers aus, bis sich mir die Absicht des Regisseurs endlich erschlossen hatte, den Zuschauer durch das akustische Filmintro langsam in den Film einzustimmen. Was Kubrick dann bei mir auch gelang …

„Zwiebel-Jack räumt auf“: Sonntags gab es im „Central-Theater“ meist drei oder vier Vorstellungen, vornehmlich für eher jüngeres Publikum. An einem Sonntag wollte ich mir den US-Katastrophenfilm „Die Hindenburg“ von Robert Wise anschauen und bin mit dem Bus nach Herrenberg gegondelt. Erwartungsvoll saß ich in der 14 -Uhr-Vorstellung, aber statt dem „Zeppelin“-Film lief die müde Italokomödie „Zwiebel-Jack räumt auf“ … wie enttäuschend. Die ganze Vorstellung war ich missmutig, weil Erwartung und Realität sehr weit auseinander klafften. Ich hatte mich in den Anfangszeiten geirrt, der Wise-Streifen war erst als nachfolgender Film am Start und ich hatte nicht genug Geld dabei für einen anschließenden Kinobesuch. Kein gelungener Kino-Sonntag 🙂

Selten habe ich in dem mit ca. 300 Sitzen nicht ganz so großen „Central-Theater“ so einen Andrang wie bei dem 007-Streifen „Der Spion, der mich liebte“ mit Roger Moore und Curd Jürgens erlebt. Es war mein erster James-Bond-Film und ich war, wie offensichtlich der Rest des Publikums, rundum begeistert: Action, Humor und die legendären Technik-Gadgets, was wollte man mehr. Einige schlaflose Nächte bereiteten mir dagegen William Friedkins „Exorzist“ und Richard Donners „Omen“, die ich ohne die erforderlichen 18 Jahre alt zu sein, ich war wohl eher 16, anschaute. Eine ernsthafte Alterskontrolle wurde nach meiner Erinnerung in den 70ern ohnehin in kaum einem der von mir besuchten Kinos durchgeführt.

Nach dem Abitur Mitte der 80-er Jahre orientierte ich mich beruflich nach Tübingen und Stuttgart, das „Central-Theater“, das einzige kommerzielle Kino der Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern, war kein Thema mehr für mich. Um 1989 schloss das Kino für immer seine Pforten und wurde dann auch zeitnah abgerissen. Jetzt steht dort ein Wohn- und Bürohauskomplex.

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