„Vom Urlauber zum Mitglied der Filmcrew“


von Rainer Hubertus

Es war 1959 an einem Sommertag am Gardasee, nach dem sich ein gewaltiges Gewitter, von Monte Baldo kommend, über dem See ausgetobt hatte. Meine Schwester Ingrid (damals 15 Jahre alt) und ich (18 Jahre) saßen bei italienischen Freunden in deren Haus am Hafen von San Felice del Benaco und schauten auf eine hohe Nebelwand, die über den aufgewühlten See trieb. Plötzlich tauchten mehrere altertümliche Segelschiffe aus dem Nebel auf und fuhren in Richtung Rocca di Manerba, einer markanten, schroffen Klippe im südlichen Teil des „benarischen Meeres“. Es sah aus wie eine Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ und das Rätselraten um diese geheimnisvolle Flotte begann. Noch am Abend machte die Nachricht die Runde, dass an der Rocca ein Piratenfilm mit Lex Barker und Estella Blain gedreht werden sollte. Früh am nächsten Morgen waren wir alle zur Stelle und mischten uns unter das lustige und freundliche Filmvolk. Die Stars ließen sich ungekünstelt fotografieren und uns Jugendlichen wurden Statistenrollen angeboten, die dann allerdings zu meist schwerem Sonnenbrand verhalfen. Nachdem wir nämlich zur Kameraeinstellung etwa 15 Mal mit nacktem Oberkörper und Geschrei einen Hügel erstürmt hatten, bestellt uns Regisseur Domenico Paolella für den nächsten Morgen zu weiteren Wiederholungen. Mein Freund Uwe und ich wechselten daher lieber zur Technik und montierten vom Boot aus Sprengsätze für die Einschläge der Kanonenkugeln, die dann während der Dreharbeiten elektrisch gezündet wurden. Die Schiffe erwiesen sich als Bretterkonstruktionen auf großen Gummipontons und die Kanonenrohre bestanden aus Holzröhren mit pyrotechnischen Knallkörpern. Nach ein paar Tagen war der Reiz des Neuen dann bald verflogen und erst das Finale, bei dem das größte Schiff, das als Bühne gedient hatte, zur Explosion gebracht und in Flammen aufging, wurde von uns allen besucht.

Das war für uns und unsere Freunde damals ein besonderes Ferienerlebnis, an das wir uns alle heute noch gerne erinnern. Bei späteren Urlauben konnten wir noch einige Jahre später am Fuße der Rocca Reste des Piratennestes und eine vergammelte künstliche Palme erspähen. Der Film I PIRATI DELLA COSTA (Küste der Piraten, IT/FR 1960) lief später im „Roxy-Kino“ in Darmstadt und war kein Höhepunkt in der Karriere von Tarzandarsteller Lex Barker. Mich hat diese Erfahrung in dieser Weise geprägt, dass der Filmdreh wahrscheinlich bewirkt hat, dass ich heute noch, mit 75 Jahren, mit einer 400kg-Kanone als Böllerschütze aktiv bin.

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