von Peter W. Bernatek
Eine Dauerkarte für die Erbacher Lichtspiele versüßte mir meine Kindheit in den 1950er Jahren im Odenwald. Ich verdankte dieses Privileg meinem Vater, der die Werbeplakate des Kinos im Schaufenster seines Friseursalons aufhängte. So konnte ich mir Woche um Woche die neuesten Filme ansehen und entwickelte eine Leidenschaft fürs Kino, die mich zeit meines Lebens nicht mehr loslassen sollte.
Mit 18 Jahren kam ich Landei zur Lehre nach Frankfurt. Hier erwartete mich eine Auswahl an Kinos und Filmen, von der ich zuvor nicht einmal geträumt hätte. Meine Freizeit verbrachte ich damit, mich über das aktuelle Programm zu informieren, und all die Bekanntschaften, die ich über die Jahre schloss, lotste ich mit Vergnügen ins Kino. Manche Filme gefielen mir so gut, dass ich sie gleich mehrmals besuchte. Ich erinnere mich an die großen Filmpremieren im Turmpalast, an den oft mies gelaunten Herrn am Einlass im Lux Kino (wir haben ihm den Spitznamen „der Saure“ verpasst). Alles an einem Kinobesuch habe ich genossen, auch die Werbung, zum Beispiel für Jopa Eis. Im Scala sah ich eines Tages – und auch das gehört irgendwie zum Kinoerlebnis dazu – ein Mäuschen zwischen den Stuhlreihen umherflitzen. Ich sah besonders gern Komödien.
Später war es natürlich hauptsächlich meine Frau, die mich ins Kino begleitete – manchmal kopfschüttelnd darüber, was ich mir alles ansehen wollte. Unsere erste Tochter Ariane benannten wir nach der lebensfrohen Musikstudentin in Billy Wilders „Love in the Afternoon“. Ihr, ebenso wie ihren jüngeren Schwestern, habe ich die Liebe zum Kino wohl mit in die Wiege gelegt.
Ich habe seit meinem ersten Kinobesuch in Frankfurt am 26. April 1958 (Wolfgang Staudtes Verfilmung des Romans „Der Maulkorb“ von Heinrich Spoerl) jede einzelne Eintrittskarte gesammelt. Es sind heute etwa 900, die ich gebündelt und chronologisch sortiert in kleinen Pappschachteln aufbewahre. Ich habe sogar einmal eine Grafik über all meine Kinobesuche erstellt – die verstehe ich heute aber selbst nicht mehr richtig. Neben den Filmtiteln und Daten, sofern diese nicht auf den Tickets standen, habe ich oft auch meine persönliche Bewertung („einfach prachtvoll!“) auf den Tickets notiert. Rechnet man die Anzahl der Tickets auf die Jahre, in denen ich gesammelt habe, bin ich etwa 2-3 Mal pro Woche im Kino gewesen. Das schaffe ich heute leider nicht mehr, aber einen Fernseher habe ich mir deshalb noch lange nicht angeschafft: Ich bin und bleibe ein Kinogänger.