„Jagen und Sammeln“


von Werner Mohr

Zum Sammeln kam ich 1957 durch einen Schulfreund. Im Sommer fanden die Internationalen Filmfestspiele in Berlin statt, er sammelte Autogramme und überredete mich mitzukommen. Der Kurfürstendamm war bunt mit Fahnen geschmückt, und aus der Presse erfuhr man, in welchen Hotels die Stars logierten. Dort warteten wir, immer in der Hoffnung, dass sich ein Prominenter zeigte, und wir eine Unterschrift bekamen. Oft wusste man nicht einmal von wem… Ich erinnere mich, dass mich die Schauspielerin Grete Weiser einmal fragte: „Weißt du denn, wer ich bin?“

Anlässlich der Premiere von DIE GLÜCKLICHEN JAHRE DER THORWALDS (R: John Olden, Wolfgang Staudte) am 16. November 1962 im Gloria-Palast in Berlin, in Anwesenheit der Darsteller, nahm ich eine Postkarte von Elisabeth Bergner mit und hoffte auf eine Unterschrift. An diesem Abend war sie den Autogrammjägern wohlgesonnen, und nach Schluss der Vorstellung nahm ich glücklich die mit „sehr gerührt“ unterschriebene Karte in Empfang.

Ein Jahr später gab es bei den XIII. Internationalen Filmfestspielen in Berlin ein Sonderprogramm namens „Filmhistorische Vorführungen“, bei dem Filme mit Elisabeth Bergner gezeigt wurden. Sie war auch als Gast geladen und bekam das Filmband in Gold überreicht für ihre schauspielerische Leistung in DIE GLÜCKLICHEN JAHRE DER THORWALDS.

Bis dahin war ich unregelmäßig im Kino und sah alles Mögliche, aber nach der Begegnung mit den deutschen klassischen Filmen änderte sich das, wie sich auch das Sammeln veränderte. Durch die Eindrücke von 1963 begann ich Sammlungen über bestimmte Schauspieler anzulegen, die mich in einigen Filmen begeisterten: Conrad Veidt, Grete Mosheim, Elisabeth Bergner, Asta Nielsen.

Asta Nielsen besuchte ich während eines Urlaubs in Kopenhagen, ein unvergesslicher Eindruck, und Grete Mosheim sowie Elisabeth Bergner konnte ich glücklicherweise des Öfteren im Theater erleben. Kurioserweise kreuzte Elisabeth Bergner erneut meinen Weg: 1978 drehte sie mit Martin Held den Film DER PFINGSTAUSFLUG (R: Michael Günther). Durch Zufall kam meine Mutter am Drehort vorbei und schnappte die Bemerkung auf, wie Frau Bergner von Kalbfleischwürstchen schwärmte. Das nahm ich als Gelegenheit ihr ein paar Zeilen zu schreiben. Sie antwortete darauf in sehr charmanter Weise. Ihren Brief und die mitgesandte Autogrammkarte ist für mich ein absolutes Highlight meiner Sammlung.

Das Sammeln hat mich nämlich nicht losgelassen: Fotos, Magazine, Programme und hauptsächlich Filmpostkarten bilden eine recht umfangreiche Sammlung, die über Jahrzehnte gewachsen ist. Sammeln und Tauschen hat mir viel Spaß bereitet, ich lernte viel nette und interessante Menschen kennen, war zum Glück nicht obsessiv und wahrte stets eine gewisse „gesunde“ Distanz.

Sammler sind zwar keine Filmhistoriker, haben jedoch durch ihre Leidenschaft ein spezielles Wissen erworben, und ich finde es schade, dass nicht schon viel früher davon Gebrauch gemacht worden ist. Durch Sammler ist viel Material gerettet worden, was sonst vielleicht entsorgt worden wäre. Und wenn wir uns mal verabschieden, können sich Archive und Museen über so manchen Nachlass freuen – hoffentlich!

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